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How to Kill Your Boredom daheim

Unser Autor Markus Lesweng hat acht nicht ganz ernst gemeinte Tipps aufgeschrieben, mit denen man die Langeweile im Corona-Alltag garantiert überlebt.

 

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Prinzipiell ist es für einen Autor eine wunderbare Erfahrung, wenn seine Veröffentlichung genau den Nerv der Zeit trifft. Bloß haben wir – wie wohl alle anderen auch – nicht damit gerechnet, dass kurz nach der Veröffentlichung von How to Kill Yourself daheim, einem tiefschwarzen Reiseführer zu den gefährlichsten Zielen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dies zur Realität werden könnte: Der alternativlose Urlaub im eigenen Land. (Zumindest, sobald man wieder zum Vergnügen vor die Tür gehen darf.)

Aus aktuellem Anlass daher an dieser Stelle ein paar Ideen, wie sich der Alltag in unserer neuen Bürokratur zwischen Quarantäne und Abstandsregeln spannender gestalten lässt.

Natürlich wurde bei jedem Nervenkitzel darauf geachtet, dass die Geldbörse nicht zu sehr belastet wird. Auf geht's – acht beachtenswerte Tipps, um die Langeweile daheim durch lebensbedrohliche Experimente zu killen.

1. Positiv sein – Einfach mal »Ja« sagen

Etwas Einfaches zum Warmwerden:

»Sieht mein Hintern in dieser Hose dick aus?«

»Ja.«

Simpel, unkompliziert, effektiv.

2. Neue Regeln erfinden

Aktuell ist Deutschland ein Himmel für Bürokraten und Technokraten, die mit detaillierten wie sinnlosen Regelungen jedes Detail der menschlichen Existenz regulieren möchten. Heraus kommen Vorgaben, die nahelegen, dass wir es mit einem Virus zu tun haben, das vorzugsweise nach 22:00 Uhr aktiv ist, Geschäfte über 800 Quadratmeter liebt und im Flugzeug Passagiere im Mittelsitz ansteckt, nicht aber Mitreisende in der Bahn.

Warum nicht der Kreativität freien Lauf lassen und ihren Nachbarn, Kollegen und Freunden von neuen Regeln erzählen, die jetzt erlassen wurden und an die man sich zu halten habe – und sich an ihrer Reaktion erfreuen?

Beispiel 1: Spielplatznutzung

»Die Benutzung von Spielplätzen ist nur von 8:00 bis 18:00 Uhr erlaubt und auf Kinder beschränkt, die in den letzten 14 Tagen nicht gehustet oder geniest haben. Schaukeln sind Kindern ab 115 Zentimetern Größe vorbehalten. Der Sandkasten muss nach Benutzung durch das spielende Kind desinfiziert werden. Die Nutzung der Rutsche ist maximal sechs Kindern am Tag gestattet; zwischen zwei Rutschvorgängen – definiert durch das Verlassen der Auslaufzone – müssen mindestens 20 Sekunden liegen.«

Beispiel 2: Der Akt

»Geschlechtsverkehr ist ab sofort auch wieder zwischen Menschen, die nicht im selben Haushalt beisammen leben, unter strenger Beachtung der Hygienemaßnahmen gestattet. Zu jeder Zeit muss der Mindestabstand eingehalten werden. Schläge auf den Hintern sind nur mit Einweg-Handschuhen gestattet; auf das Anspucken muss bis auf Weiteres verzichtet werden. Die Bundesregierung empfiehlt daher die Stellung ›von hinten‹, um das Risiko zu minimieren. Unangekündigte Kontrollen sind möglich, die Penetration darf mindestens bis September nicht ohne triftigen Grund stattfinden.«

3. Heimwerken

Es ist eine Binsenweisheit: Die Mehrheit aller Unfälle passiert im Haushalt. Und wenn es aktuell doch nichts zu tun gibt, wissen wir doch, dass es immer etwas zu tun gibt. Warum also nicht mal ein bisschen Heimwerken, wo man sich doch alle relevanten Infos über YouTube-Videos zusammenstellen kann, die man allerdings nur zu einem Drittel anschaut, weil sie nicht in die Gänge kommen?

Warum, ja, warum nicht einfach mal einen Schlagbohrer kaufen und prüfen, ob die Stromleitungen tatsächlich dort verlaufen, wo sie laut Bauplan liegen müssten? Schließlich wollen die drei Bilderrahmen mit Erinnerungen an Zeiten, in denen Reisen noch erlaubt war, felsenfest an die Wand montiert werden, bis sie diese mittragen.

4. Vor die Tür gehen

Option für die Todesmutigen: Im Wonnemonat Mai vor die Tür gehen und sich an Sonnenschein, Vogelgezwitscher und einer in Grüntönen explodierenden Natur erfreuen – ganz, ohne im Vorhinein um Erlaubnis zu fragen. Natürlich erwarten einen zahlreiche Risiken, vom Ausrutschen auf dem Gehweg, einer handfesten Pollenallergie und den Beamten vom Ordnungsamt, dessen innerer Blockwart inneren Reichsparteitag feiert, wenn er jemand erwischt, der ohne »triftigen Grund« das Haus verlässt. So jemanden können Sie dann was husten!

5. Rauchen, Saufen, Fressen

Wie man es dreht und wendet, die Statistiken über Leben und Tod sprechen eine eindeutige Sprache. Corona wird niemals auch nur annähernd so viel Menschenleben kosten wie andere Krankheiten (z. B. Malaria) oder Verhaltensweisen (z. B. Rauchen, Saufen, Fressen). Was in unseren Breitengraden killt, sind Inaktivität, ungesunde Ernährung und die Belastung von Leber und Lunge mit Alkohol und Nikotin.

Warum nicht also die Gelegenheit nutzen und in dem kurzen Zeitfenster, in dem es als gesundheitsfördernd gilt, das Haus nicht zu verlassen und stattdessen den ganzen Tag Computerspiele zu spielen – und sich ein paar ungesunde Hobbies zulegen?

Mit entsprechender Disziplin (nicht vor 11:00 Uhr anfangen) lässt sich eine Flasche Wodka über den ganzen Tag strecken; falls das zu teuer ist, tut es auch verdünnter Stroh-Rum. Auch eine Stange Zigaretten ist schnell inhaliert, wenn man sich an die unangenehmen Nebeneffekte erst einmal gewöhnt hat. Diese inkludieren allerdings schweren Husten, weshalb ein wenig Verständnis von Ihren Mitmenschen Voraussetzung für dieses Experiment ist.

Unerwarteter Vorteil: Wenn Sie sich im Anschluss das Rauchen, Saufen und Fressen wieder abgewöhnen, wird Ihnen das viel Applaus und Respekt bringen – mehr, als wenn Sie sich von vorneherein vernünftig verhalten hätten. Und vielleicht hält dieser Respekt kuschelig warm, wenn man in der Schlange vor der Suppenküche steht?

6. Die Regierung kritisieren

Dieses Spiel ist nur für die Hartgesottenen, lässt sich aber zumindest in verschiedenen Schwierigkeitsgraden realisieren. Im einfachsten Level können Sie beim Austausch über den Gartenzaun einfach einmal widersprechen, wenn Sie mit Plattitüden konfrontiert werden.

Beispiel 1:

»Wir müssen Kassiererinnen im Supermarkt endlich mehr Geld geben!« – »Nö.«

Beispiel 2:

»Wir müssen endlich honorieren, wie hart Lehrer und Lehrerinnen arbeiten!« – »Nö.«

Und die Eskalation folgt sogleich.

Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich, auf einem sozialen Netzwerk freier Wahl einen kritischen Gedanken zu äußern, wahlweise als unverantwortlicher oder unwissender, wahlweise als Verschwörungstheoretiker oder Impfgegner, wahlweise von links oder rechts. Posten und dann nichts wie weg, bevor das Scheißegewitter für das Falschdenk hereinbricht.

Nur für Experten, die im Hardcore-Modus spielen möchten, empfiehlt sich die offene Konfrontation, die das Regierungshandeln in großen Medien umfasst. Risiken inkludieren nicht nur den Besuch der Ordnungshüter im eigenen Heim (dann allerdings ohne Abstandsregeln), sondern auch den Verlust des Arbeitsplatzes auf Lebenszeit sowie einen unfreiwilligen Besuch in einer psychiatrischen Anstalt.

7. Das Haustier nerven

Zum zwanzigsten Mal Gassi gehen? Im Zweifel findet der Hund das sogar noch toll. Besser fahren Sie mit einer Katze, bei der sie testen können, wie viel Stunden unfreiwilliger Zuneigung sie zulässt, bevor sie Krallen zeigt. Bitte aber nicht so sehr übertreiben, dass Sie anschließend die Intensivmedizin benötigen. Sollten Sie Goldfische besitzen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, diese Investition zu bereuen.

8. Resteverwertung

Keine Lust, am Maskenball teilzunehmen, aber die Vorräte gehen trotzdem zur Neige? Dann ist es Zeit, auch beim Kochen die notwendige Flexibilität an den Tag zu legen und die kreative Resteverwertung zu starten. Eine Staubschicht auf der Verpackung ist ein gutes Indiz, dass das jeweilige Produkt seinen Nährwertzenit bereits überschritten hat. Und ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist ohnehin nur eine Empfehlung.

Also, auf geht es zu gerösteten Nüssen an Kümmel und Koriander; Maronen mit einer Knoblauch-Nougat-Marinade; Pilzen mit Dosenananas auf einem Bett aus Konfitüre. Und so weiter. Eignet sich auch wunderbar, wenn Gäste zu Besuch sind, was sie natürlich nicht sind, denn das wäre in diesem Fall wirklich unverantwortlich.

 

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An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Vorschläge sarkastisch und nicht ernst gemeint sind. Beim nochmaligen Lesen wirken sie auch eher wie eine Anleitung, um Mitmenschen auf den Sack zu gehen.

Egal: Folgen Sie in jedem Falle den Empfehlungen Ihrer Regierung, gehen Sie nicht nach draußen, haben Sie keinen Spaß, fahren Sie nicht in den Urlaub, sondern bleiben bis zum Ende des Jahres (oder länger) in Ihrer Wohnung und erwarten dort in kontrollierter Sicherheit den Tod.

Das Wichtigste ist und bleibt jedoch, in einer solchen Situation nicht den Humor zu verlieren – oder, um es mit den Worten des führenden deutschen Satirikers zu sagen: »Kein Arbeitsplatz muss wegen Corona verloren gehen.«

 

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Die Langeweile ist besiegt und Sie möchten noch mehr Nervenkitzel erleben? Dann werfen Sie doch mal einen Blick in Markus Leswengs schwarzhumorige Anti-Reiseführer How to Kill Yourself Abroad und How to Kill Yourself daheim.


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Der Autor

Markus Lesweng

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