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Klimabewusst reisen – doch wie genau geht das?

Unsere Autorin Franziska Consolati beschäftigt sich seit Jahren damit, wie man Nachhaltigkeit und Reisen miteinander verbinden kann. Für die CONBOOK Stories stellt sie sich die Frage, wie verantwortungsbewusstes Reisen konkret aussehen kann und gibt hilfreiche Anregungen – von der Reiseplanung über den Aufenthalt vor Ort bis hin zur Zeit danach.

 

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Die Füße im Sand vergraben lausche ich der Stille der afrikanischen Nacht. Über mir spannen sich tausend Sterne über den Himmel und ich bin die Einzige, die noch wach ist. Neben mir knistert das Feuer, in der Ferne höre ich Elefanten trompeten und frage mich, ob der Bulle dabei ist, den wir heute Morgen aus dem Schlaf gerissen haben.

Zuhause fühlt sich plötzlich unendlich weit weg an. Das ist es auch. Und ich komme nicht umhin, über eine ganz bestimmte Frage nachzudenken:

Gebe ich der Welt mehr, als ich von ihr bekomme?

Meine Liebe zu unserem Planeten begann in der Wüste

Es ist nicht das erste Mal, dass diese Frage in meinem Kopf vehement nach einer Antwort fordert.

Ich war gerade erst volljährig, da hat mich meine Abenteuerlust in die Welt hinausgezogen: gemeinsam mit einer Beduinen-Karawane bin ich zu Fuß in der Sahara unterwegs gewesen.

Diese Reise war der Startschuss, wenn man so will – und das Versprechen an mich selbst, dass ich nie aufhören möchte, die Welt genauso unvoreingenommen zu entdecken, wie ich es mit 18 Jahren tat.

Dieses Versprechen halte ich bis heute ein, Dutzende Länder und noch viel mehr Abenteuer liegen zwischen uns. Auch einige, die ich mit meinem Wissen heute nicht mehr antreten würde – weil sie der Welt nicht mehr gaben, als ich genommen habe.

Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich beispielsweise Reisen im Sinn, bei denen Anreisezeit und Aufenthaltsdauer in keiner gesunden Relation standen. Solche, bei denen ich einen Flug anstelle des Zuges gewählt habe. Rein der Bequemlichkeit wegen.

Wenn ich heute eine Reise antrete, denke ich hingegen einen Schritt weiter. Im Sinne der Nachhaltigkeit. Ich überlege, wie ich meine Reiseintention mit einem möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck erfüllen kann. Welche Optionen es gibt, um mein Vorhaben nachhaltiger zu gestalten. Um Natur und Umwelt nah zu kommen, ohne ihnen zu nahe zu treten.

Und doch zählt nicht nur das, was wir nicht tun

Für meine Gedanken in der Nacht unter dem afrikanischen Sternenhimmel bedeutet das:

Zwar bin ich zu Fuß im Busch unterwegs, saß aber zehn Stunden und 35 Minuten im Flugzeug, um überhaupt einen Schritt auf südafrikanischen Boden setzen zu können. Und das Flugzeug, das ist kein Geheimnis, vergrößert unseren ökologischen Fußabdruck so gravierend wie kaum etwas anderes.

Aber, und das ist die Kehrseite: Es zählt nicht nur das, was wir nicht tun. Sondern es zählt auch das, was wir tun.

Es zählt der positive Einfluss, den wir auf unsere Mitmenschen und auf unseren Planeten haben können.

Wieder kommen mir die Elefanten in den Sinn. In Südafrika wie in zahlreichen anderen Ländern finanzieren sich Naturschutzgebiete und Nationalparks über die Einnahmen der Gäste.

Ein Ranger hat es gut erklärt:

»Nur dann, wenn Menschen Geld bezahlen, um Elefanten sehen zu können – nur dann werden Elefanten aktiv geschützt.«

Das übrigens ist dringend notwendig, denn in den vergangenen hundert Jahren ist die afrikanische Elefanten-Population um mehr als 90 Prozent geschrumpft.

Würden wir also alle aufhören zu fliegen – wie lange würden Elefanten dann noch am Leben sein?

Nachhaltigkeit ist nicht nur Klimaschutz

Die Herleitung ist kurz, ich weiß. Richtig ist sie dennoch. Dabei geht es um weit mehr als um die Population der Elefanten. Sie stehen exemplarisch für alles, was dank des internationalen Tourismus geschützt wird.

Hier geht es um das große Ganze, denn Nachhaltigkeit ist nicht nur Klimaschutz. Auch Arten- und Umweltschutz spielen eine bedeutende Rolle. Dazu kommen soziale Aspekte, die zu einer gerechten Welt beitragen.

Die Frage ist also nicht, ob Nachhaltigkeit und Reisen zusammenpassen. Sondern wie.

Als klimabewusste Reisende geht uns all das etwas an, dieses große Ganze.

Für mich war der Weg zu dieser Erkenntnis kein kurzer. Stichwort: Reisen in der Vergangenheit, die ich heute nicht mehr antreten würde…

Es ist eben ein komplexes Puzzle, dieses große Ganze. Deshalb ist es mir wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass es nicht ausschließlich Perfektionismus ist, der uns zu unserem Ziel führt. Im Leben nicht und auch in Sachen Nachhaltigkeit nicht.

Wir sollten aufhören, uns permanent gegenseitig mit dem Zeigefinger auf die Brust zu tippen. Lieber die zehn Entscheidungen feiern, in denen wir uns nachhaltig verhalten. Anstatt auf der Einzelnen herumzureiten, bei der wir es nicht tun.

2019 zum Beispiel sind weltweit insgesamt 1,5 Milliarden Menschen als Touristen ins Ausland gereist. Wenn nun also 1,5 Milliarden Menschen nachhaltigere Reiseentscheidungen treffen würden, wären wir alle zusammen einen enormen Schritt weiter.

Nicht reisen ist nicht nachhaltig

Ob wir mit unserem Reiseverhalten zum Schutz von Natur, Umwelt und Arten beitragen sowie die sozialen Strukturen unserer Welt stärken, liegt einzig und allein an uns. Und unseren Entscheidungen. Die beginnen bei der Anreise und ziehen sich durch jeden einzelnen Tag.

Deshalb ist das hier ein Aufruf für das Reisen – weil nicht zu reisen in unserer Welt heute nicht mehr nachhaltig sein kann. Das hier ist ein Aufruf für das Reisen ohne schlechtes Gewissen, aber eben so, dass es der Welt guttut.

Die Wahl des Reiseziels

Bevor ich festlege, wo es hingehen soll, stelle ich mir im Hinblick auf meinen ökologischen Fußabdruck ein paar bewährte Fragen. Diese Reihenfolge bietet sich an:

 

Kann ich vermeiden?

Jeglichen Extra-CO2-Ausstoß.

 

Kann ich verringern?

CO2-Emissionen lassen sich oft nicht vollständig vermeiden, wenn ich nicht gerade mit dem Rad oder in Wanderschuhen von meiner Haustür aus starte. Wie kann ich meinen ökologischen Fußabdruck trotzdem so klein wie möglich halten?

 

Kann ich kompensieren?

Emissionen zu kompensieren, sorgt für viele Diskussionen. In einem sind sich aber alle einig: CO2-Kompensation ist kein Freifahrtschein, denn ungeschehen macht sie Emissionen nicht. Dennoch ist die Kompensation eine Möglichkeit, unser Reiseverhalten nachhaltiger zu gestalten.

Zu dem Thema habe ich vor drei Jahren schon einen Blogartikel geschrieben. »Damals« schon hat mich Reisen & Nachhaltigkeit sehr beschäftigt – wenn ich seitdem auch im Thema gewachsen bin und sicher ein paar meiner Ansichten verändert habe.

 

In der Planungspraxis bedeuten diese Fragen Folgendes:

Möchte ich eine mehrtägige Wanderung unternehmen, kann ich zum Beispiel auf den rund 300.000 Kilometern unterwegs sein, die es in Deutschland an Wanderwegen gibt. Oder ich mache mich auf in unsere Nachbarländer – und vermeide Emissionen so weitestgehend.

Will ich aber in den Buddhismus eintauchen und über Wochen persönlich von Mönchen in Thailand lernen, kann ich Emissionen nur begrenzt verringern – ich sollte zusätzlich kompensieren. An- und Abreise machen hier den größten Part meines Fußabdrucks aus.

An- und Abreise

75 Prozent aller CO2-Emissionen, die dem Tourismus angerechnet werden, entstehen bei der An- und Abreise. Schon bei der Wahl unseres Reiseziels treffen wir eine Entscheidung, die sich auf die Möglichkeiten für unser Hin- und Wegkommen auswirken wird.

Um an dieser Stelle eine nachhaltige Reiseentscheidung zu treffen, können wir uns beispielsweise von der emissionsärmsten Möglichkeit (zu Fuß oder mit dem Fahrrad) zur emissionsreichsten Entscheidung (Flugzeug, Kreuzfahrtschiff) hocharbeiten. Und bei der Lösung stoppen, die für uns gleichzeitig realistisch auf der einen und möglichst nachhaltig auf der anderen Seite ist.

Übernachten

Hier geht es um weit mehr als darum, am nächsten Morgen ausgeschlafen aufzuwachen. Unterkünfte bieten die Möglichkeit für lebensnahe Begegnungen. Und spielen außerdem eine entscheidende Rolle, was den ökologischen Fußabdruck unserer Reise angeht. Nach der Fortbewegung nimmt die Unterbringung den größten Anteil daran ein. Oder auch nicht – wenn wir klimabewusst nächtigen.

Folgende Fragen bringen uns umweltfreundlichen und fairen Übernachtungen näher:

 

Wen unterstütze ich mit einer Buchung?

Einen womöglich internationalen Investor, der die Unterkunft zu rein wirtschaftlichem Nutzen betreibt? Oder engagierte Einheimische?

 

Woher kommt das Essen, das angeboten wird?

Setzt sich die Unterkunft für nachhaltigen Tourismus ein?

 

Wird die Energie ökologisch produziert?

Setzt sich das Team im Haus für Müllvermeidung ein?

Entdecken

Ich selbst studiere manche Reiseführer, um mir darüber klar zu werden, wohin ich nicht reisen werde. Ich möchte keine Regionen belasten, für die sich der Massentourismus bereits zum Problem entwickelt hat, sondern solche Regionen stärken, die auf dem Radar der Reisenden seltener auftauchen. Manchmal liegen zwischen beiden Alternativen nur wenige Kilometer, eine Bergkette oder eine Insel.

Essen

Regional und sozial – das ist die Devise, um auch bei der Ernährung auf Nachhaltigkeit zu setzen.

Es lohnt sich, in den unscheinbaren Seitenstraßen auf Restaurantsuche zu gehen, anstatt sich dort anzustellen, wo die meisten Google-Rezensionen oder ein Eintrag im Reiseführer hinführen.

Der kleine Imbisswagen am Straßenrand, hinter dem immer derselbe alte Mann steht, oder die Garküche am Stadtrand: Sie liefern uns oft das frischeste und authentischste Essen. Alles, was nicht regional oder saisonal wächst, ist für diese Art der Küche meist zu teuer – stattdessen arbeiten hier Einheimische Hand in Hand, um sich gegenseitig auszuhelfen. Und wir können ihr Motor sein.

Übrigens: Die App Happy Cow ist bis dato die größte Datenbank mit veganen und vegetarischen Restaurants. Weltweit sind über 120.000 Adressen gelistet – und es werden täglich mehr.

Nach der Reise

Wir alle tragen die Verantwortung, das zu schützen, was wir am meisten lieben. Und es ist nun mal so, dass sich der Mensch vor allem dafür einzusetzen vermag, was er kennt, was ihm nahe erscheint. Lasst uns deshalb alle Botschafter*innen sein, unsere Geschichten teilen und überall erzählen, wie schön und wie schützenswert unser Planet ist.

»Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Menschen, welche die Welt nicht angeschaut haben.« – Alexander von Humboldt

Mehr Tipps und Inspiration

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mich lange gescheut, für Reisen und Nachhaltigkeit gleichermaßen zu sprechen. Weil das Thema ein Minenfeld scheint. Und ich keinesfalls den Eindruck erwecken möchte, als würde ich alles richtig machen. Als würde ich grundsätzlich die besten Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit treffen. Das tue ich ganz bestimmt nicht – und ich möchte mich auch nicht als Vorbild bezeichnen.

Mir geht es vielmehr darum, Mut zu machen, dass wir alle unser Bestes geben. Den Appell auszusprechen, dass wir uns trauen, beides gleichermaßen zu unseren Lieblingsanliegen zu machen: das Reisen & die Nachhaltigkeit. Weil beides unmittelbar miteinander in Verbindung steht.

Mir geht es darum, dass wir uns trauen, von all den kleinen Schritten zu erzählen, die wir in die richtige Richtung machen. Anstatt die verstecken zu müssen, die manchmal ein wenig vom Weg abweichen.

Für all das möchte ich ein Statement setzen, damit dieses Minenfeld keins mehr ist und wir uns nicht mehr scheuen, diesem Thema eine Stimme zu geben.

Ich bin sehr glücklich, dass mir der CONBOOK Verlag das in Form meines dritten Buches ermöglicht.

 

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In Reise-Hacks für Klimabewusste stellt Franziska Consolati interaktiv, informativ und anschaulich jede Menge Tipps für nachhaltiges Reisen vor: Wie kann ich ohne exzessiven Kohlendioxidfußabdruck reisen? Kann man auch in anderen Ländern auf importierte Waren verzichten? Und ist es überhaupt noch vertretbar, zu verreisen?

Wer sich mit geplagtem Gewissen individuell auf die nächste Reise vorbereiten will, findet in diesem Büchlein brauchbare Tipps und außerdem sich selbst wieder. Denn beim Übernachten, Fortbewegen, Erkunden und Spaßhaben gilt auch auf nachhaltigen Reisen: Augenzwinkernd wiegt jedes Gepäck leichter, auch das moralische.

Die »Reise-Hacks« sind der perfekte Urlaubsleitfaden für alle Klimabewussten.


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Die Autorin

Franziska Consolati

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