Shinigami Games

Japan-Krimi

Von Andreas Neuenkirchen


Reinlesen!

August 2016 (1. Auflage)

Premium-Paperback mit Einbandklappen, 352 Seiten

ISBN: 978-3-95889-106-7

€ 12,95 [D] • € 13,40 [A] • SFr. 20,50* [CH]

Der packende dritte Teil aus der Reihe um Inspector Sato

Herbst in Tokio: Yuka Sato und ihr Team folgen der Spur des Shinigami, dessen niederträchtiger Polizistenmord nur der Anfang einer ganzen Serie von Anschlägen war, die ein nie gekanntes Ausmaß annehmen.

Vom tiefsten Punkt des Tokioter U-Bahn-Netzes bis in die dichten Wälder des Berges Takao treibt der selbsterklärte Gott des Todes seine Spielchen mit der Ermittlerin und scheint dabei nur ein Ziel zu verfolgen: Sie soll an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht werden – und weit darüber hinaus.

Ob auf dem Tokyo Tower, dem Tsukiji-Fischmarkt, im leuchtenden Shibuya oder im dunkelsten Vorort – der Shinigami ist der Polizistin immer schon eine Nasenlänge voraus. Schließlich muss sie sich den Geheimnissen ihrer eigenen Vergangenheit stellen, um einen Massenmord zu verhindern und den gefährlichen Psychopathen dingfest zu machen.


Premium-Paperback-Ausgabe

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Leseprobe

Beamtin am Boden

 

Das Wetter war ungewöhnlich eisig an diesem Herbstmorgen. Yuka Sato schwitzte. Masaru Iwaki gab ein anspruchsvolles Tempo vor. Wie jedes Mal, wenn die beiden ihre beinah tägliche Laufrunde um den Kaiserpalast zogen. Die Begrünung, die gemeinsam mit den hohen Palastmauern dafür sorgte, dass man ja nicht zu viel vom eigentlichen Palast sehen konnte, befand sich farblich bereits auf dem Rückzug. Rot und Gelb waren an Bäumen und Mauern unübersehbar auf dem Vormarsch. Ein malerischer Anblick. Zumindest so lange man die Augen links hielt, auf Bäumen und Gräben, und den Blick nicht nach rechts wandern ließ, zum nie endenden Kreisverkehr und den Hochhäusern von handverlesener Zweckdienlichkeit, die dort das alte Edo mit dem neuen Tokio konfrontierten.

Als sie nach einer Umrundung des Grundstücks wieder an ihrem Ausgangspunkt im Südwesten der Anlage ankamen, machten sie Halt. Das hohe Tempo war auch für Iwaki eine Herausforderung. Er kaschierte sein schweres Atmen nur unzureichend, und obwohl man auf seinem schwarzen Trainingsanzug der Bereitschaftspolizei die Schweißflecken weniger deutlich sah als auf Yukas hellgrauer Kombination, glänzten Hals und Stirn verräterisch feucht. Dennoch sah der junge Polizist seine etwas ältere Kollegin kämpferisch an. »Fünf Kilometer!«, rief er. »Das ist doch bestenfalls Aufwärmtraining. Wie wäre es, wenn wir heute noch eine Runde liefen? Mindestens.«

Yuka lächelte und hoffte, dass sich ein bisschen Nonchalance in die Erschöpfung schlich. Im Grunde musste sie ihm recht geben. Auch wenn ihre große Zeit des Dauerlaufens schon ein wenig zurücklag, war ihr eine einzige Runde um den Kaiserpalast nie genug gewesen. Sie hatte immer erst nach der zweiten angefangen zu zählen. Jetzt, nachdem sie sich ein paarmal von ihrem ungestümen Kollegen hatte breitschlagen lassen, ihr Training wiederaufzunehmen, erinnerte sich ihr Körper langsam wieder an die Freude, die diese Strapazen bereiten konnten. Dennoch war dies nicht der richtige Zeitpunkt, das Training auszuweiten. »Aufwärmen trifft es genau«, sagte sie. »Schließlich wartet noch ein ganzer Tag voller Arbeit auf uns.« Sie überlegte. »Zumindest auf mich«, ergänzte sie mit sanftem Spott.

Masaru Iwaki hatte als Einsatzleiter der Bereitschaftspolizei einen weniger streng geregelten Tagesablauf als die Inspektorin. Dass sein Beruf deshalb nicht weniger fordernd war, wussten sie beide. »Ich mag weniger Einsätze haben als Sie, aber dafür sind sie gefäh...«

Eine 51-Millimeter-Patrone unterbrach den Satz und ließ ihn für immer unvollendet. Sie riss ein blutiges Loch in Iwakis Brust, riss Iwaki von den Füßen.

Satos Reflexe übernahmen auch unter Schock die Kontrolle. Sie warf sich zu Boden, schrie den Spaziergängern in ihrer Nähe zu, es ihr gleichzutun. Sie sah sich um. Ein paar Passanten kamen in Panik ihrer Aufforderung nach. Sie sah keinen Schützen. Sie hatte keinen Knall gehört. Sie robbte näher zu Iwaki, während sie ihr Mobiltelefon aus dem Bauchbeutel nestelte und ihren Notruf durchgab.

***

Er war sich sicher, dass die Entfernung und der Straßenverkehr den Knall verschluckt hatten. Außerdem würde die einmalige Explosion kaum Aufschluss über seinen Aufenthaltsort geben. Trotzdem wollte er kein Risiko eingehen und zu lange an diesem Ort verweilen, so sehr er die Aussicht über das Palastgrundstück, die teils nüchternen, teils protzigen Behördenbauten von Kasumigaseki und die im kalten Sonnenlicht glitzernden neuen Wolkenkratzer von Marunouchi genoss. Seine schwarz behandschuhten Hände schraubten das Gewehr auseinander, legten es in den Koffer. Es war ein guter Schuss gewesen, wenn man bedachte, dass er ziemlich aus der Übung war. Er hatte auf den Kopf gezielt, aber ein Brusttreffer tat es auch. Er war abgelenkt gewesen von der Inspektorin, das musste er zugeben. Doch für sie hatte er heute keine Kugel. Für sie hatte er heute nur eine Nachricht. Er legte den Umschlag zur Tatwaffe in den Koffer und verschloss ihn.

Den Koffer ließ er an seinem Ort, als er das Dach verließ. Im Treppenhaus war niemand. Als er im 15. Stock in den Fahrstuhl wechselte, traf er ein paar Angestellte, die ihn als Kollegen freundlich grüßten. Er grüßte sie freundlich zurück. Der Fahrstuhl spielte eine elektronisch aufgeweichte Version eines alten Enka-Hits.

Er fühlte sich gut, als er das Gebäude verließ. Zum ersten Mal seit langer Zeit. Dabei hatte er den Auftrag nur widerwillig angenommen. ‚Manchmal muss man zu seinem Glück halt gezwungen werden’, dachte er.

Auf dem Weg zur U-Bahn-Haltestelle Sakuradamon konnte er es sich nicht verkneifen, einen Blick auf das Drama zu werfen, das sich nicht weit hinter dem Bahnhofszugang vor dem Grundstück des Kaiserpalastes abspielte. Er sah die Polizistin, sie stand inzwischen wieder auf den Beinen, obgleich diese stark zitterten. Ihr Gesicht und ihr Trainingsanzug waren rot verschmiert. Sie sprach mit uniformierten Polizisten, die den Ort der Tragödie mit gelbem Band absperrten, nach Hinweisen suchten, Passanten gleichermaßen befragten und maßregelten. Ein weißer Nissan-Rettungswagen ließ sein Rotlicht noch aufblitzen, doch die Sirene war bereits abgestellt. Hier war niemand mehr zu retten.

 

***

 

- Ende der Leseprobe -

Autor
Andreas Neuenkirchen

Andreas Neuenkirchen, geboren 1969 in Bremen, ist seit 1993 Journalist, zunächst frei im Feuilleton von Bremer Tageszeitungen und Stadtmagazinen, später in Münchener Redaktionen online und offline.

Er schreibt seit Ende der Neunzigerjahre für deutsche und internationale Publikationen über japanische Gegenwartskultur und ist Autor mehrerer Sachbücher und Romane mit Japan-Bezug.

2010 lernte er seine Frau in Tokio kennen. Zusammen lebten sie mehrere Jahre in München, bevor sie 2016 mit der gemeinsamen Tochter nach Tokio übersiedelten.

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